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„Charisma und Persönlichkeit machen bei einem Fahrer den Unterschied aus"

Friday, 15 January 2016 10:01 GMT

Crew Chief Alberto Colombo über seine Arbeit mit Chaz Davies.

Crew Chiefs spielen in der Welt des Rennsportes eine entscheidend wichtige Rolle. Er (oder sie) fungiert als ständiger Begleiter der Fahrer und übersetzt in den Boxen die Aussagen der Piloten und die Daten in technische Lösungen. Sie sind wahre Strategen und ständiger Ansprechpartner der Piloten.

Eine perfekte Harmonie und ein umfangreiches Verständnis zwischen einander ist für die Beziehung zwischen Fahrer und Crew Chief ungemein wichtig. In den letzten Jahren wurde dies immer wichtiger, darum haben nicht wenige Fahrer bei Teamwechseln darauf bestanden, ihre eingespielten Truppenteile mitzunehmen. Auch bei Chaz Davies war das nicht anders, er nahm Alberto „Moro“ Colombo mit, der seit 2012 an der Seite des Britten arbeitet. Der 48-Jährige stammt aus der Lombardei und steht vor seiner fünfen Saison mit dem Waliser. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

Wie hat deine Zusammenarbeit mit Chaz begonnen?
Wir waren 2011 im gleichen Team, aber ich war nicht sein Techniker. Während der Tests habe ich ihm ein paar Tipps gegeben, die er wirklich gleich sehr gemocht hatte. Daraufhin haben wir im Jahr darauf die Zusammenarbeit begonnen.

Wie hat ich eure Beziehung über die Jahre entwickelt?
Wir sind enge Freunde geworden. Wir unterhalten uns sehr oft, auch wenn wir nicht an der Strecke sind. Wir haben ein blindes Vertrauen ineinander, sehen uns aber nicht allzu viel, denn wir leben ja weit weg von einander. Eigentlich treffen wir uns nur an der Strecke, wo immer diese Anspannung des Wettbewerbs in der Luft liegt. Es ist schwer, da eine persönlichere Beziehung zu entwickeln.

Was verbindet euch auf professioneller Ebene?
Das ist alles sehr ernst. Wir haben noch nie Probleme miteinander gehabt. Vielleicht, weil Chaz mir vertraut. Er war schon ein starker Fahrer, bevor wir zusammen angefangen haben, aber ich würde sagen, dass die Ergebnisse für sich sprechen, seit wir angefangen haben, zusammen zu arbeiten.

Was ist bei deiner Herangehensweise ans Racing der Grundstein?
Wir arbeiten immer methodisch, machen eine Entwicklung. Wir haben mit Ducati eine Herausforderung angegangen, haben hart gearbeitet, um mit der Panigale R einen Sieg zu holen. Chaz war der erste, der es mit diesem Motorrad auf das Podest geschafft hat (Aragón 2015, Rennen 2).

Was sind deiner Meinung nach die Stärken von Chaz Davies?
Er ist unglaublich professionell, auch neben der Strecke. Er macht nie Pause. Er lebt, um zu fahren und ist körperlich wahnsinnig gut vorbereitet. Er lässt sich nicht ablenken und ist unglaublich bescheiden – er gibt in den Rennen immer alles. Er ist willensstark und kann im Rennen klar mehr denken, als die meisten anderen Fahrer. Im zweiten Lauf scheint er immer noch stärker zu werden, wenn die anderen normalerweise müde werden.

Irgendwelche Schwächen?
Das ist jetzt keine Schwäche per se, aber er ist in den Trainings nicht so super-mega schnell. Dazu muss man Risiken eingehen und ich denke, dass er da das richtige Gleichgewicht gefunden hat.

Welche Charaktereigenschaften hat ein idealer Fahrer aus Sicht eines Crew Chiefs?
Sowas wie den perfekten Fahrer gibt es nicht, aber es ist wichtig höfflich und respektvoll mit dem Team umzugehen und in der Box gemocht zu werden. Ein Fahrer ist vielleicht nicht der schnellste da draußen, aber er muss eine gute Person sein und bescheiden bleiben. Menschliche Qualitäten, die Chaz im Überfluss hat, sind der Anfang. Sie ermöglichen es dem Team, gern Opfer zu bringen. Das ist ein kleines, aber extrem wichtiges Ding. Der Fahrer beeinflusst sein Team: Sein Charisma und seine Persönlichkeit machen den Unterschied.

Chaz ist als ein sehr akribischer Fahrer bekannt. Wie zeigt sich das in eurer Arbeit nach einem Training?
Er ist unglaublich Präzise und folgt besonderen Abläufen. Wir bleiben oft lange in der Box und besprechen alles. Es gibt nur wenige Fahrer, die diese Arbeit so erledigen können, ohne dabei die Konzentration oder Motivation zu verlieren.

Welche Schlüsse ziehst du aus der letztjährigen Saison?
Die war sehr positiv. Wir sind konstant gewachsen. Wir waren schon zu Beginn konkurrenzfähig, aber nach Saisonhälfte ist uns ein entscheidender Schritt nach vorn gelungen. Die Fortschritte zwischen Misano, Laguna Seca und Sepang waren unglaublich. Und es hätte sogar noch besser laufen können, wenn Giugliano die ganze Saison hätte fahren können, denn er hätte extrem Wichtiges zur Entwicklung beitragen können.

Was ist Chaz abseits der Strecke für ein Mensch?
Sehr ruhig und vorsichtig. Er lebt, wie wir „Menschen“, was bei einem Fahrer sehr selten vorkommt. Er nimmt sich vor vielen Rennen etwas Zeit und ist reiner Tourist, beschäftigt sich mit den örtlichen Kulturen. Er hat auch eine große Leidenschaft für Kaffee. Er hat sich einen Profi-Apparat gekauft und nimmt Barmann-Unterrichtsstunden.

Interview von Aruba.it Racing – Ducati